Winterkonzert 2014
Presse
Ankündigung des Konzerts vom 29. Januar 2014 im Nordbayerischen Kurier
Große Erlebnisse für kleines Geld
Kritik von Frank Piontek, Nordbayerischer Kurier
Woran erkennt man ein Universitätsorchester? An der probenden Klarinette im Physiklabor. Man erkennt es auch daran, dass die vielen – vor allem: jungen – Zuhörer im „Zentrum“ bei der berühmten Stelle im ersten Satz der Reformationssymphonie, in der das „Dresdner Amen“ erklingt, kein andächtiges Raunen durch den Saal schicken – aber halt: ein junger Mann flüstert denn doch seiner Freundin sehr leise, doch den Nachbarn vernehmlich das Zauberwort zu: „Parsifal!“
Man erkennt das Orchester der Universität Bayreuth, das unter der zehnjährigen Tätigkeit des Dirigenten und wahren Orchesterleiters Albert Hubert nicht gelitten hat, sondern gleichsam auferstanden ist, auch daran, dass man zu einem Schluss kommt, der wesentlich bösartiger scheint als er gemeint ist: Das Symphonieorchester der Bayreuther Universität klingt meist so gut und so ambivalent wie das Symphony Orchestra von Haifa. Der Schluss ist weder antijüdisch noch antiuniversitär, denn beide Orchester produzieren ihre Kunst unter verschärften Bedingungen. Stellt man sich nämlich vor, dass sowohl die „Profis“ in Nordisrael (die nicht nur Instrumente spielen, sondern auch notgedrungen als Pizzafahrer oder Taxifahrer ihr Geld verdienen müssen) wie die Studenten ihre Lebenszeit nicht allein der holden Kunst, sondern dem Prodesse des Lebens widmen müssen, so klingt ein derartiges Orchester schon anders: nämlich grundsätzlich besser.
Was also am besten „rüberkommt“, ist die Zartheit, ist der Respekt, mit dem die beiden ausgezeichneten Solisten Han Wen und Moritz Heindl vor allem das sanft schwebende „Largo ma non tanto“ in Bachs d-Moll-Violinkonzert gestalten. Es wird wohl länger in Erinnerung bleiben: die Steigerung, mit der Hubert sein Orchester in den durchaus nicht lärmenden Höhepunkt des so einfachen wie eindringlichen Nimrod-Satzes der Enigma-Variationen Edward Elgars führt. Dass nicht alle, sondern nur drei der neun Sätze erklingen, ist wirklich schade, aber dem Probenkorsett geschuldet: denn in nicht mehr als 14 wöchentlichen und zwei Wochenendprobenblöcken müssen die „Laien“ und die hinzugezogenen „alten Hasen“ (unter ihnen beispielsweise Richard Lah an der Posaune) das Programm stemmen. Steigert sich der Nimrod-Satz ins Erhabene, so hat der Hörer den Eindruck, dass auch die harmonische Gestimmtheit des Ensembles im Lauf der Symphonie Mendelssohn Bartholdys wächst: wobei das Allegro vivace – aber das ist vielleicht nur die Meinung des Rezensenten – am schönsten, am rundesten, am gelöstesten klingt. Respekt aber für die rasanten kontrapunktischen Spiele des Violinkonzerts und der Symphonie, die das Finale grundieren und, das ist dramaturgisch gut gedacht, zu Bach hinüber grüßen.
Es bleibt die Beobachtung, dass die Konzerte des Sinfonieorchesters im Rahmen des Bayreuther Konzertlebens durchaus herausragen: denn da die 70.000-Seelen und -Kulturstadt Bayreuth über kein eigenes Symphonieorchester (ebenso wenig über ein eigenes Stadttheater) verfügt, sind Symphoniekonzerte mit eigenen Kräften immer mehr oder weniger kleine Sensationen. Kommt hinzu die Tatsache, dass die Konzerte des Sinfonieorchesters der Alma mater die Campus-Universität auf die schönste Weise mit der Stadt verbinden: auch dies ist eine Seltenheit.
Woran also erkennt man ein Universitätsorchester? An den vielen jungen Leuten, die – auf und vor allem unterhalb der Bühne – ein „klassisches“ Konzert, noch dazu für schlappe 7 Euro, in der Stadt besuchen. So betrachtet, sind die Konzerte des Sinfonieorchesters ein Modell für zweierlei: für die durchaus nicht selbstverständliche Kunst – und für die Hoffnung, dass die Studenten vielleicht auch einmal die anderen Symphoniekonzerte der Stadt Bayreuth besuchen mögen, in denen für (relativ) kleines Geld große Erlebnisse stattfinden können. Klassik muss nicht wehtun; das Konzert hat es beeindruckend bewiesen.