Klänge an einem Sommerabend
Überraschend, leicht und stimmungsvoll: Das Sinfonieorchester der Universität am See
Der Musik- und Opernfreund ahnt nicht, dass er bei einem Sommer-Freilichtkonzert eines nichtprofessionellen, wenn auch guten Orchesters etwas zu hören und zu sehen bekommt, was er noch nicht erlebt hat. Dass eine Opernsängerin sich zugleich auf der Harfe begleitet: das hat der Opernfreund noch nicht gesehen. Um dies zu bemerken, musste er das Sinfonieorchester der Universität Bayreuth besuchen, das am See des Audimax mit einem originellen Programm überraschte. Dass Viktoria Kunze keine zweitklassige Harfenistin ist, die erstklassig singt oder eine zweitklassige Sängerin, die die Harfe beherrscht: auch die macht den Zauber dieses Abends am See aus. In der berühmten Arietta der Lauretta aus „Gianni Schicchi“ wird sie wieder am ihrem Instrument sitzen, ebenso in einer Soloszene aus Bellinis „Sonnambula“: mit einer effektvollen Cavatine, die die Koloratourbravour ihres Soprans im Dunkel der Nacht und im Goldschein der Orchesterbeleuchtung zum Glänzen bringt. „Oh je“, meinte zunächst ein Musikfreund auf Stufe 7, als die Nummer aus Bellinis „Capuleti e i Montecchi“ als Opernmusik des 19.Jahrhunderts angekündigt wurde. Die Oper an sich gilt ja bei Laien nicht als sexy – aber der Hörer wurde so beglückt wie der so genannte Kenner, der an diesem, ja zauberhaften Abend etwas Kostbares geschenkt bekam: die vollkommene Illusion einer romantischen Opernromanze. Dass Wagner den Großmeister der romantischen Oper bis zuletzt liebte, hatte gute Gründe.
Das Programm ist so bunt gemischt wie das Publikum. Unter der Leitung Albert Huberts zog die russische Musik des 20.Jahrhunderts in das Sinfonieorchester ein; diesmal stehen acht Sätze aus Dimitri Kabalewskys „Romeo und Julia“-Suite auf dem Zettel, der, dass muss Herr Beckmesser einfach ankreiden, miserabel redigiert wurde. „Den muss ein Naturwissenschaftler geschrieben haben“, meinte ein Nachbar. Unter Huberts Leitung swingt das Orchester; unter Richard Lahs Direktion werden vier Brass-Klassiker bitonal ins Publikum geschickt. Familienfeindschaft trifft auf Begehren, Verona erwacht, die Stadt pulsiert im Morgenlicht, der Süden ist plötzlich hier, wo der Sommer endlich Einzug gehalten haben könnte: auch im Mondschein an der Alster, wo Hamburgs Walzerkönig Oscar Fetrás auf Johann Strauss‘ Spuren tänzelte. Gleich könnte Lohengrins Schwan um die Ecke schippern und am Ufer festmachen, die Musik wird heißer, die Luft weht kühle, ein Kind beginnt fröhlich zu hüpfen. Ein Schlagzeuger sieht aus wie der junge Udo Lindenberg mit Hipsterbart. Das Grün des Wassers ist in das Grün des Schilfs übergegangen, als Viktoria Kunze zu singen beginnt; später wird sie uns, wieder an der Harfe, mit einer Zugabe beglücken: „Somewhere over the rainbow“ klingt in dieser Instrumentation sicher authentisch.
Und wie klingt nun das Orchester? Wo vier Flöten 28 Streichern gegenübersitzen, hat der Klang bisweilen etwas Schrilles. Die ertasten in ihrem Soloauftritt nicht wenige Blue Notes, aber wer wil bei einer Formation mecker, die ihr Programm neben dem stark verschulten Studium idealistisch erarbeitet? Alan Silvestris „Forrest Gump“-Suite, die das Rund mit guter Konfektionsware aus Hollywood bewegt, macht zuletzt noch einfach Spaß. Die Sonne ist untergegangen am See, aber das Licht leuchtet weiter.